Im 20. Jahrhundert fand eine Explosion der Entwicklung der neuen Musik statt. Die Künster*innen, die dies ermöglicht haben, sind vielfältig. Allerdings ist heutzutage wenig darüber bekannt. Kenner würden vielleicht die Namen Nadie oder Lilie Boulanger mal gehört haben, aber weitere Frauen werden selbst in musikalischen Kreisen selten erwähnt. In diesem moderierten Konzert werden fünf Pionierinnen der Musikszene des 20. Jahrhunderts präsentiert, die an deren Entwicklung maßgeblich mitgewirkt haben.
Programm:
Ruth Zechlin (1926-2007)
Trio, nicht bekannt, (Oboe, Bratsche und Cello)
Alice Samter (1908-2004)
Kontraste, 1995, (10 Spieler*innen) (10’)
Variatio Delectat, 1993, (Bläserquartett) (8’)
Elizabeth Maconchy (1907-1994)
Variazioni concertanti, 1965, (Nonett ohne Flöte) (18’)
Romanza, 1979, (Viola Solo plus 10 Spieler*innen) (10’)
Mathilde Capuis (1913-2017)
Concentus brevis, 1975, (Streicher plus Oboe) (10’)
Ilse Fromm-Michaels (1888-1986)
Vier Puppen für Bläserquintett Op. 4, 2002, (Bläserquintett) (6’)
Musica Larga, 1944, (Streichquartett plus Klarinette) (11’)
Ruth Schonthal (1924-2006)
Music for Horn & Chamber Orchestra, 1978, (10 Spieler*innen) (13’)
Ruth Zechlin (1926-2007)
Ruth Zechlin war Professorin an der Hanns Eisler Musikhochschule für die Fächer Komposition, Kontrapunkt und Instrumentation und von 1990-1993 Rektorin. Sie bekam eine ungewöhnlich vielfältige Ausbildung, sie studierte Komposition bzw. Tonsatz, Klavier, Kirchenmusik und Orgel. Als Lehrerin wurde sie von ihren Schüler*innen hoch geschätzt. (Ein Schüler, Thomas Buchholz, hat ihre Pädagogik so beschrieben: “Unabdingbar war ihr, dass Mittel und Zweck einer Komposition im Einklang mit der Persönlichkeit des Komponierenden standen”.)
Alice Samter (1908-2004)
Als Kind hatte Alice Samter ein enorm musikalisches Gespür. Bereits im jungen Alter von neun Jahren finanzierte sie mindestens teilweise ihren eigenen Klavierunterricht, in dem sie die Nachbarskinder unterrichtete. Als Folge des ersten Weltkriegs und des gesellschaftlichen Drucks zur Geschlechterrollen-Anpassung arbeitete sie bis zum Ende des zweiten Weltkrieges als Sekretärin. Nach Kriegsende begann sie beruflich zu komponieren und unterrichtete Musik an einer Oberschule. Alice Samter schuf ein großes Werk für das ihr 1988 das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland verliehen wurde.
Elizabeth Maconchy (1907-1994)
Die englisch-irische Komponistin Elizabeth Maconchy war eine Vorreiterin der Komponistinnen in England. Sie veranstaltete zusammen mit anderen Frauen Neue-Musik-Konzerte im Ballet Club Theatre in Notting Hill, um die Lage und Rezeption ihrer Kolleginnen zu verbessern. Der Erfolg ihrer Arbeit trug dazu bei, dass sie 1959 zur Vorsitzenden der Composers Guild of Great Britain gewählt wurde – sie war die erste Frau an dieser Stelle. Sie komponierte mehr als 200 Werke, u.a. ihr Oboenquintett, mit dem sie den Daily Telegram Wettbewerb gewann.
Mathilde Capuis (1913-2017)
Mathilde Capuis war Professorin an der Conservatorio Giuseppe Verdi in Turin, wo sie Theorie und Komposition lehrte. Sie war Pianistin, hatte aber eine Vorliebe für das Cello und schrieb viele Kammermusik für Klavier und Cello.
Ilse Fromm-Michaels (1888-1986)
Die musikalischen Talente von Ilse Fromm-Michaels wurden früh entdeckt und gefördert. Mit dreizehn Jahren fing sie eine Ausbildung an der Königlichen Hochschule für Musik in Berlin an. Sie etablierte sich bis zum Aufstieg der Nationalsozialisten in Kreisen der Neuen Musik als Pianistin und spielte u.a. mit Pierrot Lunaire unter dem Dirigat von Arnold Schönberg. Sie war mit einem jüdischen Mann verheiratet und hatte bis zum Kriegsende unter beruflichen Repressionen zu leiden. Ihr Mann starb schwer traumatisiert kurz nach Kriegsende und Ilse Fromm-Michaels wurde an die Hamburger Musikhochschule berufen. 1963 wurde ihr die Johannes-Brahms-Medaille der Stadt Hamburg verliehen.
Ruth Schonthal (1924-2006)
Die deutsch-amerikanische und jüdische Komponistin Ruth Schonthal wurde gezwungen, ihre musikalische Ausbildung am Stern’schen Konservatorium in Berlin 1938 frühzeitig zu beenden und mit ihrer Familie ins Exil nach Schweden, dann 1941 nach Mexiko-Stadt zu ziehen. Dort hatte sie große Erfolge als Pianistin und Komponistin und beeindruckte Paul Hindemith so sehr, dass er ihr ein Stipendium für das Studium an der Yale School of Music verschaffte, um bei ihm zu studieren. Später wurde sie Professorin für Komposition an der New York University.